Hat Stille eine Farbe?

Welche Farbe hat Stille? Diese Frage hat mir Danielle G. Löhr in einem Coaching-Gespräch gestellt. In mir kam sofort die Frage auf, ob Stille überhaupt eine Farbe hat. Ich gab die Frage an Danielle zurück und stellte sie ebenfalls Dr. Renate Kussmaul, einer Meditations- und StilleTrainerin.
Mach Dir doch erst selber Gedanken darüber, welche Farbe Du mit Stille in Verbindung bringst, und lies dann weiter. Hier findest Du 3 unterschiedliche, aber auch ähnliche Antworten.

Schwarz, farblos oder durchsichtig?

Danielle G. Löhr:
„Ich nehme mir den Raum, dieser Frage in Stille nachzuspüren … stelle verschiedene Bezüge zu Naturerlebnissen her: ein nebliger Novembertag, eine dunkle sternenklare Nacht, die Wüste zu jeder Tages- und Nachtzeit, schneebedeckte Berge, ein Sommerabend mit Lieblingsbuch und Rotwein auf dem Balkon. Allesamt äußere Spiegel, die mich innerlich ruhig werden lassen. Verbunden damit sind verschieden Farbeindrücke – von grau über tiefes dunkelblau, von orange über weiß, bis dunkelrot.
Doch eigentlich, so spricht es immer wieder in mir, hat Stille nur eine Farbe: SCHWARZ!
Schwarz nimmt alles zurück, bietet keinerlei Ablenkung, zentriert ebenso leicht und klar wie manchmal auch fast brutal. Konfrontierend. Schwarz führt mich zurück an meinen Ursprung: Ich BIN.
Und dennoch lässt dieser schwarze Urgrund jede andere Farbe in einer einzigartigen Strahlkraft ihre Präsenz entfalten. Wie fruchtbare Erde, die neue Lebendigkeit schenkt. In die gleichsam alles Leben zurückkehrt.
Genau diese Qualität hat auch Stille für mich. Sie nimmt alles und sie schenkt alles.“

Dr. Renate Kussmaul:
„In der Lehre Buddhas ist Meditation das Training des Geistes. Ich wende mich in Stille nach innen, nehme alles wahr und lasse alles sein, wie es ist. Ich denke über nichts nach und lasse auch keine Bilder entstehen. Der Geist kommt zur Ruhe und ich empfinde mehr und mehr Stille in mir. Wenn ich von nichts abgelenkt bin, mich von nichts beeinflussen lasse, ich also auch kein Bild sehe, ist Stille farblos.
In vollkommener „farbloser“ Ruhe kann ich wiederum mit Farben arbeiten.
Buddha wird oft in Blau dargestellt, denn Blau bedeutet Raum, Blau ist das Universum, in dem alles entsteht. Die Luft ist grün und das Wasser weiß. Denken wir an einen grau-nebeligen Novembertag oder an einen weiß-glitzernden Wintertag, hat sich das Weiß des Wasser verändert. Interessant ist auch, dass sowohl der Nebel als auch der Schnee Geräusche schlucken und dadurch etwas Stille erzeugen.
In unserer Kultur geht uns das „Sich-nach-innen-Wenden“ etwas ab, wir haben es verlernt. Wir alle haben aber eine göttliche Natur, es wäre mehr Stille möglich.“

Mein erster Gedanke war, wenn Stille überhaupt eine Farbe hat, dann ist sie für mich „neutral“, also schwarz oder weiß. Eine „Farbe“ ohne Ablenkung. Andererseits ist Blau die Farbe, die beruhigt und entspannt und Grün wirkt ebenfalls ausgleichend und beruhigend.
Eva Heller hat Ende der 1990iger Jahre eine anonyme Befragung durchgeführt, bei der sie nach den Farben von 200 Begriffen und Gefühlen gefragt hat. Unter anderem nach der Farbe der Stille!
22% der Befragten meinten Blau, 15% Weiß, 15% Grün, 13% Schwarz, 11& Silber und ebenfalls 11% Grau.

Stille-Erlebnisse

Dann bin ich in meinen Überlegungen die Farben in meinen „Stille-Erlebnissen“ gedanklich durchgegangen.
Die Gipfelpause auf einer Skitour, hoch oben über der Baumgrenze. Rund herum nur der blaue Himmel, der weiße Schnee und die grauen Felsen. Nur die Laute einer Bergdohle waren zu hören. In der Stille ganz oben.
Oder mitten drin in der Stille eines Waldes. Das kühle Grün der Bäume und das frische, saftige Hellgrün vom Moos, das die Schritte lautlos und weich macht. Auch hier gabs nur das Knacken eines Astes oder das Geräusch eines Tieres.
Kürzlich saß ich an einem kleinen Bergfluß fast schon im Tal. Die Steine des Flußbettes ließen das Wasser fast singen. Obwohl das Wasser ein ziemlich lautes Plätschern und Gurgeln von sich gab, empfand ich den Ort als still. Hier der kleine Fluß, daneben die Stille.
Ich habe mir überlegt, ob es vielleicht so ist, dass wir die Laute, die in der Natur entstehen, nicht als störend, sondern als Beweis für die Stille oder als „Untermalung“ der Stille empfinden.
Dann gibt es noch die Stille in der Nacht, wenn alles stockdunkel, sprich schwarz ist. Das Schwarz der Stille in der Nacht kann sowohl heimelig und beruhigend, aber auch sehr unheimlich sein.
Stille kann also erhaben, erfrischend, wohlig, aber auch beängstigend sein. Das sind alles Gefühle, die unterhalb, oberhalb, neben oder in der Stille liegen. Ich erlebe sie durch die Stille (hindurch).
Deshalb ist Stille an sich für mich transparent.

Als ich das Renate Kussmaul erzählte, meinte sie: „Durch Transparenz gibt es Raum und alles kann entstehen.“
Wie in der Stille.

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